Holzleitner und das Dickpic


Eva-Maria Holzleitner fordert einen Dick-Pic-Paragrafen


March 08, 2025

Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) wird Frauenministerin in Österreich und geht ein „wichtiges“ Thema an, das Dickpic. Ingrid Brodnig hat mich auf Bluesky aber darauf hingewiesen, dass ein lächerlich machender Ton nicht angemessen sei, denn „Feminist:innen erleben viele Anfeindungen und Frauen kriegen ungewünscht Dickpics zugesendet, was ein Übergriff ist“. Auf die Übergriffigkeit von Zusendungen kommen wir noch zu sprechen. Aber zuerst einmal ist festzuhalten, dass es an sich schon irritierend ist, wenn das zentrale Kommunikationsmittel in der Sexkultur biologisch-männlicher Queers salopp und an sich zu einem Frauenthema umgedeutet wird. Besonders weil das Thema "Dicpic" in SPÖ-nahen Kreisen eine gewisse Vorbelastung hat. Hat man sich doch 2021 gegenüber Thomas Schmid mit vorlieber homophob geäußert, obwohl es wirklich genug andere Themenfelder gab.

Das Verhältnis zwischen biologisch-männlichen Queers und dem Feminismus ist historisch immer schon etwas angespannt gewesen. Wir erinnern uns an die Verwerfungen zwischen schwulen Männern mit lesbischen Frauen vor 30 Jahren darüber, ob die Intersektionalität von „biologisch männlich“ aber „homosexuell“ nun Schwule im Patriarchat bevorzugt oder eine Mehrbelastung darstelle. Dann waren Schwule etwas irritiert, als die Feministinnen Stealthing als Hass gegen Frauen erkannten und zu einem Frauenthema machten, als bereits viele Schwule wegen dieser Praxis mit HIV infiziert worden waren. Und heute ist unser Lieblingsthema in aller Munde, ob Penisse in Frauenschutzräume gezeigt werden dürfen und ob Frauen dabei etwas mitzureden haben.

Ich habe mich immer wieder dafür ausgesprochen, dass Grabenkämpfe mit dem Feminismus von queerer Seite keinen Sinn machen. Frauen und biologisch-männliche Queers haben andere Lebensrealitäten, andere Bedürfnisse, andere Sozialkontakte und andere Umgangsformen. Das Fehlen echter gesellschaftlicher Anknüpfungspunkte, die über Höflichkeiten am Arbeitsplatz hinausgehen, erzeugt mit Notwendigkeit eine gesellschaftliche Differenzierung, die man mit einer Subkultur vergleichen kann. Wir verstehen uns nicht und wir werden auch in Zukunft Missverständnisse produzieren. Daher ist es in vielen Situationen einfach besser, den anderen in Ruhe zu lassen.

Bei diesem Thema ist das aber etwas schwierig, weil die etablierte Kommunikation unter homosexuellen biologischen Männern unter Strafe zu stellen, lässt alle Alarmglocken läuten. Dahinter lauert die Gefahr, systematisch Jagt auf alle homosexuellen biologischen Männer machen zu können. Denn, wenn man mit einem Dickpic rechnen kann, reicht es einen Homosexuellen auf einer Datingplattformen in ein Gespräch zu verwickeln, um ihn hinterher anzeigen zu können. Das diese Gefahr besteht, zeigen Vorfälle in den letzten Jahren. Es sind immer wieder Männer, die als „Undercover Polizisten“ wahrgenommen wurden, am schwulen FKK (Tote Grund) in Badehosen aufgetaucht, um die Schwulen „in flagranti“ bei Annäherungsversuchen zu „erwischen“. Man stelle sich vor, man könnte die Orte queerer Sexkultur einfach als sakrosankt in Ruhe lassen. Das geht aber halt leider nicht, denn der uneingeschränkte Zugang für Radfahrer mit Kindern zu abgelegenen Sumpfgebieten muss stehts gewährleistet bleiben.

Ich habe meine Befürchtungen der SPÖ gegenüber erwähnt und Mario Linder hat mir versichert, man würde „darauf achten, dass es dadurch nicht zu Diskriminierungen gegen queere Datingplattformen oder z.B. gegen schwule Männer, die konsensual Kontakt miteinander haben, kommen wird“. Nur was heißt „konsensual“ hier? Der optimale Fall wäre wohl, wer auf Grindr oder Planetromeo ein Profil unterhält, der hat bereits seinen Konsens gegeben, weil diese Plattformen darauf ausgelegt sind. Die Räume queerer Sexkultur sind damit implizit als Orte  pornographischen Austausches gekennzeichnet. Ich bin kein Jurist/Polizist und kann nicht abschätzen, ob das juristisch und praktisch ausreicht, um so eine Jagt zu verhindern. Aber im Umkehrschluss würde das diese Plattformen zu einer Art Pornoseite machen. Als junger Erwachsener (16-19) war ich sehr oft am Schul-PC auf gayboy.at und planetromeo.com online und ich sehe es ehrlich gesagt nicht ein, warum schwule Datingplattformen dann mit Pornoseiten in die Schmuddelecke gestellt werden sollten.

Mein gesamtgesellschaftliches Problem mit dieser Lösung ist aber, dass sie mich an die Parolen des christlichen Queer-Aktivismus der 70iger denken lässt: „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt.“ Ja, so dachte man damals. Nichts gäbe es zu lernen aus der schwulen Subkultur und ihren sexuellen Perversionen; es seien dort keine fruchtbaren Ansätze für das allgemeine Zusammenleben zu finden. Denn Homosexuelle würden sich genauso verhalten wie Heterosexuelle, wenn sie nicht in ein Abseits gedrängt werden würden. Eine sehr gewagte These, die wohl eher nicht stimmt. Die Dynamik unter homosexuellen biologischen Männern ist ganz anders als die zwischen Männern und Frauen oder Frauen untereinander. Daher ergeben sich mit Notwendigkeit andere Umgangsformen. Gerade die schwule Subkultur ist daher eine reichhaltige Quelle für Gegenbeispiele zu Fehlschlüssen, falschen Verallgemeinerungen und einseitigen Interpretationen bezogen auf das Verhalten von Männern (auch gegenüber Frauen). Diese Subkultur auszuklammern, indem man den Vorhang zum wortwörtlichen Darkroom einfach zuzieht und mit einer Konsensual-Klausel ausklammert, wird wenig helfen bei einer Entwicklung gesunder und offener Formen der Kommunikation in der Gesamtgesellschaft.

Ich bin keine Träumer*in, ich weiß ich stehe hier auf verlorenem Posten. Österreich ist ein christliches Land und „bedecke deine Scham“ wird immer mehr Unterstützung finden als „ich schäme mich nicht“. Persönlich würde ich es aber verstörender finden, wenn mir ein Verehrer ein Bild von seinem Daumen oder seiner Nasenscheidenwand schicken würde als von dem, was ich in seiner Hose erwarten kann. Aber ich bin halt eine Pragmatiker*in ohne Fetische.

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